Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) hat kürzlich in seiner Pressemitteilung die neue Gesetzesvorlage vorgestellt, welche eine satte Erhöhung der Vergütung für berufliche Betreuerinnen und Betreuer um durchschnittlich 12,7 Prozent verspricht. Viele BetreuerInnen zeigen sich allerdings verwundert über die Änderungen und sehen sich mit teilweise drastischen Kürzungen konfrontiert. Wie passt das zusammen?
Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt, dass diese Reform für viele Berufsbetreuerinnen und Betreuer alles andere als eine Verbesserung bedeutet. Im Durchschnitt ist mit einer leichten Erhöhung von weniger als 5% zu rechnen, welche kaum an die Inflationsentwicklung der letzten Jahre anknüpfen kann. In vielen Fällen müssen Betreuerinnen und Betreuer jedoch sogar mit Kürzungen rechnen.
Wir haben für dich die wichtigsten Änderungen und ihre Auswirkungen im Überblick zusammengestellt.
Die Reform bringt einige bedeutende Änderungen mit sich:
Das positive Vorab: Die Vergütung für BetreuerInnen mit Vergütungsstufe A wird sich deutlich verbessern, da diese zukünftig mit den höheren Fallpauschalen der ehemaligen Stufe B vergütet werden. BetreuerInnen mit Vergütungsstufe A stellen aktuell ca. 5% der BetreuerInnen dar.
Für die restlichen BetreuerInnen mit Vergütungsstufe B und C zeichnet sich hingegen ein weniger einheitliches Bild. Unsere Berechnungen zeigen, dass Betreuerinnen und Betreuer der bisherigen Vergütungsstufe B mit einer leichten Erhöhung von im Schnitt 5,6% rechnen können, während BetreuerInnen mit der Vergütungsstufe C im Schnitt mit einer Steigerung von 5,3% rechnen dürfen. Diese Zahlen wirken auf den ersten Blick positiv, doch ist hierbei der Wegfall der Sonderpauschalen noch nicht mit einberechnet. Bemängelt wird ebenfalls, dass viele BetreuerInnen mit Vergütungsstufe B oder C, aufgrund ungünstiger Fallkonstellationen, mit einer Kürzung rechnen müssen.
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Laut BMJ Statistik fällt der größte Teil der Betreuungen (43%) in die Kategorie „andere Wohnform“ mit einer Dauer länger als 12 Monate. Besonders ungünstig: Genau für diese Fälle plant das BMJ eine Kürzung der Fallpauschale.
Während das BMJ also bei einigen Fallpauschalen eine satte Erhöhung plant, wird bei vielen anderen Fallpauschalen der Betrag reduziert. Im Schnitt müssen Betreuerinnen und Betreuer bei mehr als der Hälfte ihrer Fälle mit Kürzungen rechnen (52%).
Die Reform wird vor allem jene hart treffen, die überwiegend Klienten in nicht-stationären Wohnformen betreuen. Sie profitieren nicht von der "durchschnittlichen" Anhebung der Sätze, da ihre Klienten z.B. in ihren eigenen vier Wänden leben.
Rechtsanwalt und Berufsbetreuer Roy Lippoth diskutiert in seinem Podcast betroyt aktuelle Themen rund um das Thema rechtliche Betreuungen. In der aktuellen Folge geht es um die geplanten Änderungen der Betreuervergütung und wie diese sich auf die Situation der Betreuten und Klienten auswirkt. Wir wünschen viel Spaß beim reinhören!
Ein Beispiel verdeutlicht das Problem auf ganz tragische Weise: Eine Betreuerin aus Berlin, die hauptsächlich Klienten aus der Obdachlosenhilfe betreut, rechnet mit besonders hohen Einbußen, da sie kaum stationäre Fälle hat.
Ein weiterer Betreuer berichtet auf Instagram von monatlichen Einbußen in Höhe von 1.300€ monatlich und richtet sich in einem Appell direkt an den Justizminister. Seinen Beitrag kannst du hier ansehen: Instagram Video.
Die folgenden Rechenbeispiele verdeutlichen wer von der Neuregelung profitiert und wer verliert:
Experten befürchten, dass das neue Vergütungsgesetz falsche Anreize schafft. Da stationäre Aufenthalte nun finanziell attraktiver sind, könnte dies dazu führen, dass Betreuer stationäre Einrichtungen anderen Wohnformen vorziehen. Dies steht im Widerspruch zu den bisherigen Entwicklungen: Der Anteil der Betreuten in stationären Einrichtungen ist seit 2004 stetig gesunken (von 47% auf 38% im Jahr 2016). Auch widerspricht dies dem vorgegebenen Ziel, durch die Reform, eine höhere Qualität in der rechtlichen Betreuung zu erreichen
Die angekündigte Erhöhung von 12,7% ist nicht wirklich nachvollziehbar. Ganz im Gegenteil: Viele Betreuerinnen und Betreuer müssen sich auf Kürzungen einstellen – vor allem jene, die Klienten in „anderen Wohnformen“ betreuen. Das neue Gesetz sorgt bereits jetzt für viel Unverständnis und Kritik in der Berufsbetreuer-Community. Der Berufsverband der Berufsbetreuer*innen (BdB) schreibt dazu in seiner Stellungnahme:
"Das erklärte Ziel dieses Gesetzes, die Betreuervergütung grundlegend neu zu strukturierenund zu vereinfachen, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren UND das Vergütungsniveaufür Berufsbetreuer*innen an die aktuelle Tarifentwicklung anzupassen, wird weit verfehlt, teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt."
Weiterführende Links:
1. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) zur geplanten Änderung der Betreuervergütung: https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/0916_Betreuerverguetung.html
2. Stellungnahme des Berufsverbands für Berufsbetreuer*innen (BdB): https://www.berufsbetreuung.de/der-bdb/stellungnahmen/referentenentwurf-des-bundesministeriums-der-justiz-entwurf-eines-gesetzes-zur-neuregelung-der-vormuender-und-betreuerverguetung-und-zur-entlastung-von-betreuungsgerichten-und-betreuern/
3. Onlinepetition für eine Erhöhung der Vergütung: https://www.change.org/p/erh%C3%B6hung-der-verg%C3%BCtung-f%C3%BCr-betreuerinnen-und-vereinsbetreuerinnen
4. Link zum Podcast:
https://betroyt.de/podcast/folge-187-verguetungsreform-herausforderung-durch-die-reform-des-vbvg/
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